Die Vielfalt der Produkte / Von alltäglichen „Gift-Cocktails“ und dem „Endlager Mensch“ / Lafu informiert
Von Nicole Baumann
Sei es in der Gummiente, im Computer, im Teppichboden oder in der Bratwurst – schwerflüchtige Gifte lauern an vielen Orten. Und: Der Mensch wird zum Endlager. Das weiß Lafu-Chef Gary Zörner.
Schwerflüchtige organische Stoffe, in der Fachwelt SVOCs genannt, sind heutzutage in unzähligen Produkten zu finden: Die Schrankwand wurde beispielsweise mit Holzschutzmittel behandelt, das Gehäuse der Stereoanlage und des Computers mit Flammschutzmittel versehen, die Luftmatratze und die Schwimmflügel mit Weichmachern elastisch gemacht. Dazu „gesellen“ sich die so genannten PAKs, wenn man die Bratwurst direkt vom Grill verzehrt, ohne zuvor die kleinen Alu-Schälchen aufs Rost gelegt zu haben. Dann gibt es noch die PCBs und wenn in manchen Jahreszeiten die Mücken stören, dann greift der‘ Mensch sogar zum Insektenschutzmittel. „Diese Mittel, so genannte Pyrethroide, sind nicht harmlos ausgedrückt naturidentisch, sondern durch chemische Veränderungen toxisch“, betont Gary Zörner, Leiter des Nordwolle-Labors für chemische und mikrobiologische Analytik (Lafu). Daher können beispielsweise Insektenschutzmittel die Nerven schädigen und von Hautreizungen bis zu Lähmungen oder gar einem Koma führen. „Leider werden sehr häufig Teppiche mit diesem Nervengift behandelt“, betont der Analytiker.
Unterm Strich könne man durchaus sagen, dass der Mensch langsam aber sicher zum Endlager werde, stellt der Wissenschaftler fest. „Das liegt daran, dass schwerflüchtige organische Stoffe durch den Körper nur schlecht abgebaut werden können, Rückstände unter anderem im Fettgewebe, Knochenmark, Blut, Muskelgewebe und Leber nachzuweisen sind“, erklärt er und fügt hinzu, dass man bei einer Untersuchung im Blut von Kindern auffälliger Weise einen weitaus größeren Chemie-Cocktail gefunden habe als bei älteren Menschen. „Ich vermute, dass es auch eine große Rolle spielt, dass Kinder viel auf dem Boden krabbeln, dadurch mehr Chlorchemie durch den Hausstaub aufnehmen und auch mehr mit Gegenständen spielen, die zum Beispiel mit Weichmachern oder Flammschutzmitteln behandelt sind und die Gifte über die Haut sowie den Mund aufnehmen“, so Gary Zörner.
Welche Auswirkungen Schwerflüchtige Stoffe haben können erklärt Gary Zörner anhand eines aktuellen Falls: „Lafu wurde beauftragt, das Haus einer Familie zu untersuchen, deren Mitglieder stark erkrankt waren. Die Krankheitsbilder innerhalb dieser Familie reichten von Hautproblemen, Kopfschmerzen bis hin zu Atemwegserkrankungen. Die Ärzte wussten nicht weiter und sie wurden zum Psychiater geschickt“, so der Lafu-Chef. Keiner der Ärzte habe den Horizont gehabt, weiter zu gucken. Wenn Ärzte nicht weiter wüssten, dann würden sie die Patienten manchmal tatsächlich psychiatrisieren. „Irgendwann ist die Familie selber auf die Idee gekommen, dass etwas mit der Wohnung nicht stimmt“, so der Wissenschaftler. Daraufhin habe man den Tüv um ein Gutachten gebeten. Die hätten aber keine ganzheitliche Analyse erstellt und die Wohnung für unbelastet erklärt. „Die Lafu-Mitarbeiter haben schließlich im Hausstaub der Wohnung eine unglaubliche PCB-Belastung gefunden. Ursache dafür war die Fenster-Dichtung“, betont der Lafu-Chef und bedauert: „Nur leider wurden wir zu spät gerufen. Die kleine Tochter hat die Gifte noch als Fötus im Mutterleib über die Blutplazentaschranke aufgenommen, wurde mit einem Defekt im Unterleib geboren und kann niemals eigene Kinder bekommen. Und ihre Mutter hat mittlerweile Krebs.“
Ebenso gefährlich wie die PCBs, seien beispielsweise die Weichmacher, die sowohl in Tapeten als auch im Kinderspielzeug zu finden seien. „Weichmacher können Allergien auslösen, das Immunsystem schwächen und sind krebserregend“, so Zörner. Hinzu komme, dass Weichmacher direkt durch die Lunge in die Blutbahn und ins Gehirn dringen und nicht durch die Verdauung und Leber entgiftet werden.
Alternativen zu den alltäglichen „Gift-Cocktails“ gäbe es, beispielsweise auf der Basis von Zitronensäure, sie seien aber nicht gewollt: „Viele Hersteller möchten nicht, dass man das Thema der giftigen Stoffe kritisch bewertet. Sie sehen nur ihren finanziellen Vorteil“, bedauert der Lafu-Chef.