Seminar „Die Grenzenlosigkeit der Grenzwerte“ sorgt für Andrang im Lafu. Von Allergien, Giftstoffen und Schimmelpilzen handelte gestern das sehr gut besuchte Seminar im Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik.
VON TIMO CYRIACKS
DELMENHORST. Der Raum war voll besetzt, Garry Zörner adrett gekleidet und die Gäste begierig, alles über Allergien, Giftstoffe und Schimmelpilze zu erfahren. Das Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik (Lafu) hatte gestern zum Tagesseminar „Die Grenzenlosigkeit der Grenzwerte“ geladen. Im Mittelpunkt dabei: Fragezeichen. Hinter die Grenzwerte für viele Schadstoffe könne man ein dickes Fragezeichen setzen, eröffnete Lafu-Chef Dr. Garry Zörner. Strahlungen, Mikroorganismen, flüchtige Stoffe, „die Gifte landen alle im Endlager Mensch“. Vielleicht seien Stoff A und Stoff B allein gar nicht so gefährlich, Kombinationswirkungen indes stellten ein hohes Risiko dar. Mit ein Grund, warum Grenzwerte für Einzelstoffe nicht umfassend nützen. „Außerdem sind Grenzwerte an sich schon die Erlaubnis zur Vergiftung“, sagte Garry Zörner. 100000 Stoffe hält der Lafu-Chef für registrierwürdig, 90000 davon seien von der Europäischen Union für deren geplante Registrierungs- und Bewertungs-Verordnung aber schon ausgeklammert worden. „Der Verbraucher hat keine Chance“, sagte Zörner. Erkrankt man de facto an den Ausströmungen von Formaldehyd oder Holzschutzmitteln, müsse dem Hersteller nachgewiesen werden, dass dessen Produkt krank macht. „Die Lebensqualität geht langsam schleichend den Bach runter“, beschrieb Garry Zörner die Auswirkungen der nahezu ständigen Vergiftung: Kopfschmerzen, Husten und Schnupfen, nachlassende Gedächtnisleistungen und dergleichen mehr. „Die Industrie muss alle Inhaltsstoffe voll deklarieren“, lautet daher seine Forderung. Was die Schimmelpilze angeht, konnte Referentin Renate Seyfert keine Forderung stellen. Oder doch: Sie sollen in der Schale bleiben. „Solange die Pilze in der Schale sind, bin ich von ihnen begeistert“, sagte die Expertin für Gesundheitsprophylaxe angesichts der vielen Farben und skurrillen Formen, die das Gewächs je nach Nährboden und Eigenart entfalten kann. An der Wand freilich sind die Schimmelpilze weniger schön. „Gefährlich wegen ihrer dreifachen Wirkung“, bezeichnete sie Renate Seyfert, „allergen, infektiös oder toxisch“. Einfach neu zu tapezieren oder mit Sprays zu hantieren, lange bei weitem nicht immer. Das sorge nur für eine oberflächliche Abtötung, sagte die Expertin. Ein reines Lüftungsproblem – wie viele Vermieter gerne behaupten – seien Schimmelpilze im übrigen auch nicht. „Auch bauliche Dinge spielen da mit rein. Und die schönen isolierenden Fenster, auf die der Vermieter stolz hinweist, auch.“ Alles in allem blieben die modderig-muffen-den Schimmelpilze in vielen Bereichen unerforscht. Dr. Johan Böhmann, Chefarzt der Kinderklinik, brachte die Fragezeichen dann wieder ganz direkt zum Ausdruck, beim Thema Allergie. Deren Ursachen seien ganz schwer zu finden, sagte Johan Böhmann. Soviel aber sei klar: Wer in einer Industrienation lebe, erst recht in Westeuropa, wer Einzelkind sei, dazu kein oder nur ein spätes Krippenkind und in jedem Fall kein Bauernkind, der sei ein typisches Allergieopfer. „Weil unser Immunsystem nichts zu tun hat“, erklärte Johan Böhmann, und daher anfällig sei für die so genannten atopischen Erkrankungen von der Neurodermitis, über den Heuschnupfen bis zum Asthma. Gravierend mitentscheidend bei einer Allergie sei die Vererbung. Dazu kommen dann die Außeneinflüsse, für die der Kinderklinik-Chefarzt bei Neugeborenen bestenfalls sechsmonatiges Stillen, Beikost erst nach dem sechsten Lebensmonat, keine Rauchaussetzung und die Vermeidung von Hausstaubmilben dringend empfiehlt.