Das Technologie- und Wirtschaftszentrum Delmenhorst (TWZ) auf der Nordwolle hat am Donnerstag eine Delegation der SPD mit der OB-Kandidatin Funda Gür empfangen.

Detlef Roß (von links) und Oberbürgermeisterkandidatin Funda Gür (beide SPD) schauen sich Geräte an, die Renate Seyfert und Gary Zörner für ihre Arbeit brauchen. Seyfert und Zörner arbeiten im Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik (Lafu) auf der Nordwolle. Die SPD-Delegation hat sich am Donnerstag über die Arbeit des Lafu informiert. Ingo Möllers
Ein Loch in die Wand zu bohren, kann laut Gary Zörner, Gründer des Labors für Chemische und Mikrobiologische Analytik (Lafu), schwer krank machen. Denn auch wenn Asbest 1993 in Deutschland verboten wurde, so befindet sich diese giftige Faser heute noch in Millionen von Wohnungen und Gebäuden. Das erfuhr eine Delegation der SPD mit der Oberbürgermeisterkandidatin Funda Gür am Donnerstag bei einem Vortrag in der Lafu auf der Nordwolle.
Allgemein sprach Zörner darüber, wie sich Wohngifte, Schadstoffe, Schimmel, Bakterien und Viren in Gebäuden auf die Gesundheit auswirken. „Stellen Sie sich vor, jemand haut Ihnen mit dem Hammer auf die Hand. Dann tut Ihnen die Hand so sehr weh, dass Sie sie spätestens dann wegziehen, sobald er ein zweites Mal ausholt“, verglich er in seinem anschaulichen Vortrag das Problem vieler Gefahren in Gebäuden mit einer bekannten Erfahrung. „Aber Asbest, Schimmel, Strahlung – da spürt man nichts.“
Eine Vorstellung, die Gür offensichtlich sehr besorgniserregend findet: „Da traut man sich ja kaum noch zu atmen“, sagte sie. „Diese Panik ist aber auch nicht richtig“, betonte Renate Seyfert, Abteilungsleiterin für Innenraum und Gebäude. „Wichtiger ist es, sich zu informieren und entsprechend zu handeln.“ Um beispielsweise Schimmel vorzubeugen, werde regelmäßiges Lüften empfohlen. Doch wenn die Ursache nicht am mangelnden Luftaustausch, sondern an Baufehlern und Materialschäden liegt, helfe oft nur eine fach- und sachgerechte Sanierung. Auch Antischimmelmittel seien hier nicht immer hilfreich. Denn dabei würden nur die erreichbaren Teile der Schimmelpilze abgetötet. Wie bei einem Pilz im Wald sei das, was man sehe, ja nicht der eigentliche Pilz, sondern nur dessen Fruchtkörper. Wie groß der eigentliche Pilz sein kann, werde deutlich, wenn man bedenkt, dass das größte Lebewesen der Welt ein Pilz, ein Hallimasch, sei: Mit seinen 900 Hektar sei der unterirdische, nicht sichtbare Teil des Pilzes größer als der Schlosspark von Versailles. Da Antischimmelmittel also nur einen Bruchteil des Schimmelpilzes abtöte, könne es sein, dass er die Fläche wieder neu besiedele.
Neben der sogenannten innenraumhygienischen Inspektion in Gebäuden und Produktionsstätten, befasst sich das Lafu laut Zörner aber auch mit Wasser und Abwasser in Schwimm- und Badeteichen, Lebens- und Futtermitteln und bietet Problemlösungen, Handlungs- und Sanierungsempfehlungen. In Vorträgen, Eventveranstaltungen und Seminaren geht es um Umweltschutz, -management, -politik und -bildung. In der Delmenhorster Volkshochschule habe es bereits 23 Seminare zur Anti-Atomkraftwerk-Bewegung, zu Klimakatastrophen und weiteren Themen gegeben, fuhr der gelernte Chemielaborant und studierte Lebensmitteltechniker fort.
„Sind Sie eigentlich nur in Delmenhorst tätig?“, wollte die Oberbürgermeisterkandidatin wissen. „Nein, auch in Japan, England, Slowenien, der USA, Thailand, der Ukraine, in den Niederlanden und Russland“, antwortete Zörner.
Er erzählte in seinem Vortrag auch, dass jemand eine gefährliche Base mit Salzsäure neutralisieren wollte. Tatsächlich hebt die extrem starke Säure Salzsäure (pH-Wert 0) die sehr basische Natronlauge (pH-Wert 14) auf, weil sie den Neutralisationspunkt (pH-Wert 7) erreichen. Das funktioniert aber nicht mit allen Basen und Laugen. „In diesem Fall ist alles viel schlimmer geworden“, sagte Zörner. Es könne eine Kombinationswirkung auftreten, die nicht additiv ist: „Da ist eins und eins nicht einfach zwei“, erklärte er, was er anhand von Mäusebildern in seiner Powerpoint-Präsentation verdeutlichte: „Auf der einen Seite haben wir Quecksilber in einer Dosis, die so hoch ist, dass eine von 100 Mäusen stirbt. Und auf der anderen Seite nehmen wir so viel Blei, dass eine von 100 Mäusen stirbt. Würde man beide Dosen miteinander vermischen und den Mäusen verabreichen, wäre die toxische Wirkung so hoch, dass nicht zwei, sondern alle 100 Mäuse daran sterben würden.“
So sei es auch bei der Kombination von Nikotin und Asbest. Wer regelmäßig Asbest einatmet, hat laut einer Lafu-Grafik ein 5,2-fach höheres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Bei Rauchern sei das Risiko 10,8-fach so hoch. Lebt ein Raucher in einer asbestverseuchten Wohnung – kombinieren sich also Asbest und Nikotin –, steige das Risiko um das 53,2-fache.
Von Alexandra Wolff