Lafu-Chef Gary Zörner erklärt die Gefährlichkeit des Umweltgiftes

Gary Zörner ist Chef des Labors für Chemische und Mikrobiologische Analytik (Lafu), das im Technologiezentrum auf der Nordwolle angesiedelt ist. Angesichts des Futtermittelskandals plädiert der 57-Jährige im Interview mit dem dk für ein Dioxin-Komplettverbot.

dk: Herr Zörner, nachdem Dioxin in Futter- und Lebensmitteln gefunden wurde, beherrscht dieses Gift die Schlagzeilen. Was ist so gefährlich an Dioxin?

Gary Zörner: Dioxin gehört zur Gruppe der chlorierten Verbindungen. Es kann akut tödlich sein, aber das Hauptproblem sind die Langzeitwirkungen: Das Immunsystem wird geschwächt, das Nervensystem wird angegriffen, Haut- und Lebererkrankungen drohen und es kann zu Geburtsschäden kommen, denn Dioxin ist auch immer in der Muttermilch. Es gibt über 100 verschiedene und unterschiedlich giftige Dioxinverbindungen, die als Cocktail immer gesundheitsschädlich und krebserregend sind.

Zuletzt schockierte die Nachricht, dass der zulässige Grenzwert in untersuchtem Tierfutter um das 77-fache überschritten wurde. Wie ordnen Sie diesen Wert ein?

Man sollte immer hinterfragen, in wieweit Grenzwerte auch Interessenwerte sind. Aus präventivmedizinischer Sicht sollten Dioxine gar nicht in Umlauf gebracht werden. Mit jedem bisschen Dioxin, auch wenn man weit unter den Grenzwerten bleibt, habe ich ein Krebsrisiko. Ich bin für eine Umkehrung der Beweislast: Bevor ein Produkt oder eine Produktionsmethode eingeführt wird, müsste die Ungefährlichkeit bewiesen werden.

Eier und Fleisch stehen nun im Mittelpunkt der Diskussion – zurecht? Wo kommt Dioxin sonst vor, wie kommen wir damit in Kontakt?

In chlorierten Holzschutzund Flammschutzmitteln sind Dioxine produktionsbedingt enthalten. Deshalb sind oft Baumaterialien und Möbel belastet. Auch in Lederwaren, wenn sie mit Pentachlorphenol behandelt sind, finden sich Dioxine. Außerdem entstehen sie, wenn chlororganische Verbindungen erhitzt oder verbrannt werden. Deshalb wird auch schon seit Jahrzehnten ein PVC-Verbot gefordert. Immer wenn es zu Bränden kommt, entstehen große Mengen Dioxin, weil PVC-Produkte verbrennen. Das Gleiche gilt für Müllverbrennungsanlagen. Man atmet die entsprechenden Gase oder Stäube ein, beziehungsweise man nimmt das Dioxin über die Haut auf. Bei Lebensmitteln würde ich grundsätzlich dazu raten, zu Bioprodukten zu greifen, da diese nicht mit Pestiziden belastet sind.

Sie machen Dioxin auch für erhöhte Krebsraten bei übergewichtigen Menschen mitverantwortlich. Wieso?

Dioxin ist lipophil, also fettfreundlich. Es lagert sich in fettreichen, besonders in tierischen Lebensmitteln an, sodass diese ein höheres Risiko in sich tragen, Dioxine und andere Schadstoffe zu enthalten, als fettärmere.

Ist denn wirklich alles schlimmer geworden? Die Dioxinbelastung soll sich in den vergangenen 15 Jahren eher verringert haben, auch weil viele Dinge heutzutage wesentlich kritischer hinterfragt werden.

Natürlich hat sich viel geändert, aber während einige Gifte weniger geworden sind, kommen neue Gifte in Umlauf, deren Risiken für Mensch und Umwelt noch gar nicht abzusehen sind.

Sie fordern ein völliges Produktionsverbot von Dioxinen. Worauf müssten wir dann verzichten?

Dioxin selbst wird ja nicht produziert, es ist ein Nebenprodukt, das in der Chlorchemie anfällt. Durch geänderte Herstellungsprozesse ist unheimlich viel möglich.

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