Lafu-Chef kritisiert fahrlässigen Umgang mit Chemierückständen in Getränken

Abseits des großen Medienrummels ist die chemische Drucksubstanz ITX in Karton-Säften und Wellnessdrinks gefunden worden. Die Politik wiegelt ab. Verantwortungslos, wie Gary Zörner vom Lafu findet.

„Eine Verharmlosung von ITX (Isopropylthioxanthon) in Saft ist verantwortungslos, da es das Erbgut von Menschen schädigen kann“, sagt Gary Zörner, Chef des Labors für mikrobiologische und chemische Analytik (Lafu). Insgesamt 11 von 25 in den vergangenen Tagen im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Berlin analysierten Karton-Säfte enthielten die Chemiekalie ITX, die beim Druckprozess zur raschen Trocknung der Farbe auf der Verpackung eingesetzt wird. Die betroffenen Säfte waren in Getränkekartons des Verpackungsherstellers Elopak und des Herstellers TetraPak verpackt. Drucksubstanzen in erhöhten Konzentrationen wurden etwa im Apfelsaft „Apfelblüte“, Gemüsesaft „vitafit“ und im Orangensaft „Hohes C“ gefunden. (Untersuchungsergebnisse im Internet unter www.duh.de). In Berlin hat die Lebensmittelkette Aldi einen Saft bereits aus dem Sortiment genommen, sagt Gerd Rosenkranz (DUH). Wie es allerdings anderswo aussieht, konnte er nicht sagen. Er fordert von Bundesverbraucherminister Horst Seehofer eine flächendeckende Rückrufaktion für alle verunreinigten Säfte. „Wenn die EU-Lebensmittelbehörde ITX für Verpackungen erlaubt, heißt das nicht, dass die Druckchemikalie auch in Getränke gelangen darf. Aus toxikologischer Sicht ist es nicht nachvollziehbar, warum Seehofer Entwarnung gibt“, sagt auch Gary Zörner. Wie kommt die Chemie in den Saft? Die beschichtete Pappe, aus der später die Tetra Paks entstehen, wird bedruckt und auf großen Rollen an die Getränkehersteller geliefert. Beim Aufrollen kommt die blanke Rückseite mit der bunten Außenseite in Berührung, die abfärbt. Bereits im November war ITX in italienischer Baby-Milch festgestellt worden. Damals waren die Produkte ausschließlich in TetraPak-Kartons abgefüllt gewesen. In der Folge wurden über zwei Millionen Liter allein des Herstellers Nestle vom Markt genommen. Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) hat sich der ITX-Problematik angenommen und überprüft derzeit Saftproben. „Es liegen noch keine Ergebnisse vor. Doch fest steht, dass ITX nicht in Getränke gehört“, sagt Andrea Jark, Pressesprecherin des Laves. Die Verbraucherbehörde hat allerdings ein Problem: Flächendeckende Überprüfungen sind nicht möglich. Deshalb müssen sich die Verbraucher größtenteils auf die Selbstkontrolle der Hersteller verlassen. „Noch ist nicht ganz raus, ob es schädlich ist“, sagt Hedi Grunewald von der Verbraucherzentrale. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte auf Glasverpackungen zurückgreifen, empfiehlt sie.

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