Analyselabor Lafu gibt Tipps, wie Sporenbildung verhindert werden kann / Gerade ärmere Menschen sind gefährdet

Bereits im Herbst haben Tinola Zörner (von links), ihr Vater Gary Zörner und Diplom-Ingenieurin Renate Seyfert einen Vortrag über Schimmel gehalten. Sebastian Hanke
Noch immer ist es kalt, doch seitens der Politik wird wegen der Energiekrise zum eher mäßigen Heizen geraten. Das Energiesparen kann aber zu einer Bedrohung im Haus führen. Daher mahnt Gary Zörner, Chef des Analyselabors Lafu in Delmenhorst, zur Vorsicht. Gerade die Bedrohung durch Schimmel bei zu kalten Räumen dürfe man auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Schon im Herbst hatte er zum Thema Schimmel mit seinen Kolleginnen Tinola Zörner und Renate Seyfert in der VHS referiert. Dass die Problematik nicht ernst genommen werde, sei ein enormes gesellschaftliches Problem, so Zörner. Und dass durch weniger Heizen wegen Inflation und Energiekrise gerade die Gesundheit von ökonomisch Schwachen bedroht werde, ebenso. Zusammen mit dem dk beantwortet der Forscher einige Fragen, die gerade jetzt wichtig sind.
Wie entsteht Schimmel in Wohnungen? Typischerweise entsteht Schimmel in Wohnungen vor allem durch Feuchtigkeit. Feuchtigkeit ist laut Zörner sogar der „Masterfaktor“. Weitere Faktoren sind das Vorhandensein von Nährstoffen, ph-Wert und Temperatur. Feuchtigkeit entsteht etwa dort, wo Luftfeuchtigkeit – beispielsweise durch Abkühlung an einer kalten Wand – zu Wasser kondensiert. Das kann an Wärmebrücken sein, wie an schlecht gedämmten Ecken in einem Raum. Oder Wasser setzt sich hinter Möbeln ab, wo kaum Luftaustausch entsteht. Weitere Gründe können Wasserschäden sein, wie nach Hochwasser, einem Rohrbruch oder einem Leck in Rohren. Und: Menschen selbst sind eine enorme Wasser quelle: Pro Tag, so Zörner, geben sie etwa zwei bis vier Liter Wasser ab. Das bedeute entsprechend mehr Luftfeuchtigkeit im Lebensraum–je enger zusammengewohnt wird, umso mehr.
Welche Innentemperatur wäre unter Energiesparvorgaben noch vertretbar? Schimmelbefall ist nicht unbedingt abhängig von der Temperatur, sondern auch von der Luftfeuchtigkeit – und dem Kondensieren von Wasser. Generell gilt: Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte. In kälterer Luft taut Wasser schneller aus, Kondenswasser bildet sich – beispielsweise an kühlen Wänden oder Wandteilen. Helfen könne für die Überwachung von Feuchtigkeit und Wärme deshalb ein Thermohygrometer – ein kleines Gerät, das es relativ günstig beispielsweise im Baumarkt gebe, so Zörner. Die Empfehlung des Diplom-Ingenieurs: „Auch mal in kalte Raumecken stellen, heizen, lüften und jeweils schauen, was passiert.“ Allgemein hält er eine Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 Prozent für günstig.
Wie ist Schimmel in den Wohnräumen nachhaltig zu verhindern – auch mit einfachen Mitteln? Analog dazu, dass Schimmel sich in vielen Fällen aus Luftfeuchtigkeit speist, hilft vor allem Lüften. Lüften reduziert Kohlendioxid in der Luft, ebenso wie menschliche Ausdünstungen, Gerüche, Schimmelsporen und vor allem: Feuchtigkeit. Mehrmals pro Tag sowie nach dem Kochen oder Duschen empfiehlt es sich, fünf bis zehn Minuten stoßzulüften, statt per Kippfenster konstant minimal zu lüften. Denn: „Dann bleiben die Wände weiter warm, und die Wohnung wird danach schnell wieder angenehm“, so Zörner. Sind generell die Temperaturen der Oberflächen zu niedrig, droht Kondensation. Zörner gibt ein einprägsames Beispiel: „Wenn Sie ein Bier aus dem Kühlschrank holen und es ins Warme stellen, wird die Flasche nass – weil die Luftfeuchtigkeit an dem kalten Glas kondensiert.“ Genau so geschehe es auch an Wohnungswänden, die generell zu kühl sind. Das bedeutet, dass Räume bestenfalls gut isoliert sein sollten und Möbel zehn bis zwölf Zentimeter von den Wänden abgerückt stehen sollten. Auch vor der Heizung sollten keine großen Möbel stehen, damit die erwärmte Luft zirkulieren kann. Wäsche sollte nach Möglichkeit draußen getrocknet werden (auch im Winter), ansonsten sollten Kellerräume genutzt werden.
Welche konkreten Auswirkungen hat Schimmel? Vor allem die Schimmelsporen – also winzige Teile, die abgesondert werden – können zu Krankheiten führen. Gesundheitliche Gefahren sind: Entzündungen und Reizungen von Haut, Bindehaut und Schleimhaut, unmittelbare Vergiftungen, Organschäden an Nieren, Leber oder Immunsystem, Übelkeit, Erschöpfung, Kopfschmerzen, alzheimerähnliche Symptome, Konzentrationsstörungen, Depressionen, Allergien, Infektionen beispielsweise in den Schleimhäuten oder Lungen, Magen- und Darmstörungen oder neurophysiologische und psychologische Auswirkungen.
Gibt es eine Adhoc-Lösung, um Schimmel in den Wohnräumen vorläufig zu isolieren oder abzuschirmen? Kurzfristig könne es zwar helfen, Schimmelstellen an der Wand mit einer Folie zu überkleben. „Das dämmt aber nur sehr kurz die schädliche Wirkung ein“, sagt Zörner. Eine Lösung sei das auf keinen Fall. Trocknen solle man die Stelle nicht, das setze nur die gesundheitsschädlichen Sporen frei. Auch chemische Reinigungsmittel, die es beispielsweise im Handel gibt, seien durch ihre Inhaltsstoffe ebenso schädlich und helfen nicht unbedingt. „Das wäre den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, warnt Zörner. Letztendlich helfe nur ein sorgfältiges Gutachten über das Schadensausmaß und dann eine gründliche Beseitigung der Schimmelquelle unter Sicherheitsvorkehrungen.
Was ist der Unterschied zwischen dem Schimmel auf dem Camembert, dem ungewollten Schimmel auf Lebensmitteln und dem Schimmel in Wänden und Räumen? Es gebe eine halbe Million unterschiedliche Schimmelarten, sagt Zörner. Manche seien harmlos, „aber es gibt viele, die Allergien auslösen“. Sie fänden sich in Lebensmitteln, im Wohnraum oder auch im Wald. Gefährlich sei die Einstellung der Menschen: „Was nicht sofort wehtut, das macht nichts“, warnt Zörner vor Sorglosigkeit.
Das Lafu geht von 5 bis 15 Prozent Wohnungen mit Schimmelbefall in Deutschland aus. Und in Delmenhorst? Schimmelbefall ist auch mittelbar beeinflusst von der sozialen Lage – bei einer Stadt mit relativ niedrigen finanziellen Mitteln der Haushalte geht Zörner deshalb von einem Prozentsatz von tatsächlich mindestens 15 Prozent aus. Denn Menschen mit wenig Geld können sich selten frisch sanierte Wohnungen und gut gedämmte Neubauten leisten. Sie wohnen häufiger in Mietwohnungen und ihre Wohnungen sind tendenziell in schlechterem Zustand. Zudem haben sie oft pro Kopf weniger Wohnfläche zur Verfügung. Zörners Erfahrung ist, dass beispielsweise in Düsternort viele Bewohner unter Schimmelbefall ihrer Wohnungen leiden. Außerdem würden ärmere Menschen möglicherweise radikaler Energie für die Heizung einsparen – wodurch bei ihnen mehr Luftfeuchtigkeit kondensiert und sich somit Schimmel bildet. Mittelfristig würde es gerade für finanziell schwache Menschen, die viel Energie sparen wollen, aber sogar viel teurer, wenn sie Schimmel in ihrer Wohnung beseitigen müssen: durch Arbeitskosten, Material oder auch Therapien. „Bei sozial Schwachen kann das komplett das Leben zerstören“, so Zörner. Und das, sagt er, „ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“.
Früher gab es auch überall Schimmel, und man ist nicht gleich gestorben. Oder? Früher sind durchaus Menschen an Krankheiten gestorben, die durch Schimmel ausgelöst wurden, die man aber nicht damit in Zusammenhang gebracht hatte, meint Zörner. Ein Beispiel: Als man Grabkammern ägyptischer Pharaonen öffnete, starben sehr bald danach mehrere Beteiligte. „Was man damals für einen Fluch des Pharaos hielt, waren nichts anderes als Schimmelsporen“, so Zörner. Auch viele Todesfälle von Menschen, die beispielsweise während der Industrialisierung in unteren, feuchten Etagen von Mehrfamilienwohnhäusern lebten, deuten darauf hin, dass die Menschen durch Schimmel ein geschwächtes Immunsystem hatten. Sie starben an Krankheiten, die mit oder ausschließlich durch Schimmel ausgelöst wurden.

Speziell in Raumecken kann sich in der Wohnung Schimmel bilden Daniel Reinhardt/dpa