Aufwendige Analysen bei Lafu / Stadtwerke: Keine Entwarnung, aber Risiko gering
Von unserem Redaktionsmitglied Robert Goldberg
Delmenhorst. Eine Entwarnung mochten die Stadtwerke gestern noch nicht aussprechen, weil die mikrobiologischen Analysen der Trinkwasser-Proben noch nicht vorlagen. Aber. Das Risiko einer Erkrankung wird als außerordentlich gering eingeschätzt, da das Chlor überall im Trinkwasser-Netz eingedrungen sei. Analysiert wurden die Proben auch im Delmenhorster Labor Lafu; deren Geschäftsführer Gary Zörner hält die aufgrund der Trinkwasser-Verordnung vorgeschriebenen Analysen allerdings für nicht ausreichend. So gilt für die Delmenhorster bis auf weiteres: Trinkwasser weiter abkochen, zum Zähneputzen alternativ Mineralwasser verwenden. Nicht vor heute abend erwartet Stadtwerke-Chef Waldemar Opalla die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen, die in einer Außenstelle des Landesgesundheitsamtes im ostfriesischen Aurich vorgenommen werden. Allerdings geht Opalla davon aus, daß das Delmenhorster Trinkwasser schon gestern keimfrei war: Wir haben insgesamt überall im Netz Chlor vorgefunden, das läßt den Schluß zu: Das Trinkwasser ist keimfrei. Gechlort wurde übrigens – nach einer kompletten Aufbereitung der Wasserwerke – nicht nur im von den Fluten bedroht gewesenen Wasserwerk An den Graften, sondern auch beim Wasserwerk Annenheide. Selbst in den Außenbezirken wurde Chlor in die Leitung gegeben – über die Hydranten. Zugestanden hat der Stadtwerke-Chef allerdings, daß man die Chlorierung des Wassers deutlich herausschmeckte. Doch die Delmenhorster, die am Sonnabend ein Bad nahmen, machten auch andere Erfahrungen: Das Badezimmer roch extremer nach Chlor als jedes Hallenbad. Wir waren bisher stolz darauf, daß wir das Delmenhorster Wasser nie chloren mußten, in anderen Städten ist eine Zugabe von Chlor gang und gäbe“, so Opalla. Zurückgewiesen hat der erste Mann bei den Stadtwerken, daß man in Delmenhorst zu spät reagiert habe: „Wir haben seit Freitag, 30. Oktober, Wasserproben genommen. Der erste Befund, daß Keime im Wasser sein könnten, lag uns allerdings erst am Dienstag vor.“ 48 Stunden dauere es dann bis zur sicheren Analyse auf Escherichia-Coli-Bakterien hin – dies wurde auch vom LafuGeschäftsführer Zömer bestätigt. Allerdings erwäge man bei den Stadtwerken Konsequenzen: Wir müssen unsere Chlorungspraxis überdenken. In Gebieten, wo man Erfahrungen mit Hochwasser hat, wird die Chlordosis dann erhöht“, so Opalla auf Anfrage. Zulässiger Schluß: Darüber denkt man auch in Delmenhorst nach – beim nächsten Hochwasser. Erste Proben aus den Delmenhorster Brunnen bei den Wiekhorner Wiesen erhielt am Dienstag schon das Labor Lafu im Technologiezentrum auf dem Nordwolle-Gelände. Die Analyse ist kompliziert: So werden die Proben mit einer Lactose-Lösung (Milchzucker) angereichert, 24 Stunden muß diese bei 36 Grad „bebrütet“ werden, bei negativem Ergebnis noch einmal so lang. Ein positives Resultat zeigt sich durch Trübung, Gelbfärbung und Gasbildung. Dann folgt die Mengenbestimmung: Dazu muß man den Nährboden noch einmal 24 Stunden anreichern – dann erst kann mittels eines „Enterotube-Röhrchens“ die Bakterienart eindeutig bestimmt werden. Kritisiert hat in diesem Zusammenhang der Diplom-Ingenieur Gary Zömer die Trinkwasser-Verordnung des Bundes aus dem Jahr 1990. Nicht nur, daß die Grenzwerte zu hoch seien: „Bei chemischen Schadstoffen gibt es nur Grenzwerte von einzelnen Substanzen, aber die Kombination ist tausendfach gefährlicher als die der Einzelsubstanzen. “ Schwermetalle könnten beispielsweise in Zusammenhang mit Pestiziden hochgiftige Verbindungen eingehen, die Kombinationswirkung werde nicht berücksichtigt. Verteidigt hat er allerdings die Chlorierungs-Entscheidung der Stadt: Das Ausmaß des Risikos der möglichen Infektionskrankheiten war größer als die chemische Nebenwirkung des Chlors.“ Wobei Zörner klarmachte: Chlor produziere toxische Verbindungen, ein Teil der Chlorverbindungen sei krebserregend. Auf eines machte der Umweltexperte aber aufmerksam: „Selbst wenn das Trinkwasser nach der Verordnung gereinigt ist, können noch viele Krankheiten auftreten. Vieles ist noch rätselhaft“.